April 2019 – Eindrücke aus Jogiwala

Betrachtet man heute die Entwicklung der Vivekananda-Schule seit ihrer Gründung im Jahr 1977, so ist es durchaus erstaunlich zu sehen, was mithilfe der Spenden aus Deutschland und dem ehrenamtlichen Einsatz Vieler erreichbar ist. Seit meiner Kindheit habe ich das Wachstum der Schule miterlebt und die einzelnen Schritte der Entwicklung mitverfolgt. Gleichzeitig hat sich Indien mit der Zeit auch durchaus stark verändert. Sowohl die Lebenssituation großer Teile der Stadtbevölkerung, als auch der Bewohner von Agglomerationen ist mit der wirtschaftlichen Öffnung seit den 1990er Jahren wesentlichen Veränderungen unterworfen. So wird heute in indischen Megastädten die Nachbarschaft von Superreichtum und bitterer Armut ständig sichtbar. Die direkte Umgebung der Vivekananda-Schule in Jogiwala zeigt diesen wirtschaftlichen Entwicklungsprozess sehr anschaulich. War die Schule bei meinem Besuch im Jahr 1996 noch hauptsächlich von Feldern umgeben, so ist sie inzwischen in die weiter wachsenden Außenbereiche von Dehra Dun eingegliedert, in der sich zahlreiche Einfamilienhäuser einer wachsenden Mittelschicht befinden.

Doch auch wenn der in Teilen der Gesellschaft zunehmende Wohlstand insbesondere den Bildungssektor drastisch verändert hat, ist die Teilhabe der ärmeren Bevölkerungsschichten nach wie vor kaum gegeben. Die in Dehra Dun und anderswo allgegenwärtigen Werbetafeln für private (kommerzielle) Schulen werben um Investitionen der Eltern in die Ausbildung ihres Nachwuchses, die als sicherstes Mittel für wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg gesehen wird. Diesem Prinzip von Schule als Geschäft stellt sich die Vivekananda-Schule seit jeher entgegen und unterstreicht durch die gebotenen Unterstützungsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler, dass deren Chancen auf Bildung eben nicht durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bedingt sein sollten. Auch zehn Jahre nach Einführung einer allgemeinen Schulpflicht liegt die Anzahl der Analphabeten über 15 Jahre weiterhin auf hohem Niveau, insbesondere bei Frauen.

Bei unseren alljährlichen Besuchen in Jogiwala versuchen meine Schwester, Aruna Sharma, und ich die Weiterverfolgung der Gründungsprinzipien der Vivekananda-Schule zu unterstützen. Auch in diesem Jahr besuchten wir im April gemeinsam mit unserer Mutter, Ursula Sharma, die Schule, um uns dort an den jährlichen Sitzungen der Trägerinstitution Indian School Society, regd. Soc. zu beteiligen. Neben Grundsatzentscheidungen zur Organisation stehen dort wesentliche Fragen zur Finanzierung des Schulbetriebes an. Auch die die Bitte um finanzielle Unterstützung der Sir-Dietrich-Brandis-Stiftung wird dort debattiert, bevor die Projektvorschläge übermittelt werden.

Besonders erfreulich war in diesem Jahr, dass wir durch eine Reisezeitverschiebung den Schulbetrieb miterleben konnten, so dass wir die motivierte Stimmung in der Schülerschaft zu spüren bekamen. So bekamen wir auch ein weiteres Mal gezeigt, dass die über viele Jahre geleistete Unterstützung der Vivekandana-Schule und ihrer Teilschulen in Nawada und Bhur Früchte trägt und einer ganz wichtigen Aufgabe folgt, nämlich der Verbesserung der Bildungschancen der Schüler unabhängig von Religion, Geschlecht und sozialer Herkunft.

Rahul Sharma