Situation in Jogiwala – Juli 2020

Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 hat weltweit Spuren hinterlassen. War die Dynamik des Infektionsgeschehens zunächst in China und Europa stärker, so ist seit Mai auch in Indien ein starker Anstieg der Infektionen zu beobachten.

Mitte März verhängte die indische Regierung eine Einreisesperre, u.a. für Reisende aus Deutschland, so dass die geplanten Besuche von Mitgliedern von Kuratorium und Vorstand der Sir-Dietrich-Brandis-Stiftung in diesem Jahr bislang leider nicht stattfinden konnten. Gleichzeitig wurde eine strenge Ausgangssperre erhoben, die durch die Polizei strikt umgesetzt wurde. Dies war insbesondere an Orten zu bemerken, die ansonsten nicht im Mittelpunkt behördlichen Interesses stehen, wie große Armenviertel (siehe SZ vom 03. Mai. 2020, sz.de). Eine Versorgung mit Lebensmitteln war täglich zwischen 07 Uhr und 11 Uhr möglich. Gleichzeitig verloren Millionen von Tagelöhnern in den indischen Metropolen jegliche Einkünfte, was zu Massenwanderbewegungen in die Herkunftsdörfer führte (siehe FAZ vom 30.03.2020, faz.net). Durch die Einstellung von Bus- und Zugverbindungen saßen viele der Menschen tagelang fest und machten sich teilweise zu Fuß auf den oftmals hunderte Kilometer langen Heimweg.

Die Pandemiesituation im Bundesstaat Uttarakhand ist im Vergleich zu anderen Regionen in Indien bislang gemäßigt. Mit 1785 Fällen auf 10 Mio. Einwohnern und 93 Todesfällen (14.06.2020, siehe New York Times ) lag die Aufmerksamkeit hier bislang stark auf den wirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns, der zu einer Schließung aller Schulen führte . Es ist hier mit einer hohen Dunkelziffer an Fällen zu rechnen, da für viele Teile der Bevölkerung eine öffentliche Krankenversorgung nur eingeschränkt zur Verfügung steht.

Die Schulschließungen seit dem 19. März haben auch an der Vivekananda-Schule und den Teilschulen in Nawada und Bhur zu einer sehr schwierigen Situation geführt. Glücklicherweise sind unter Schulangehörigen und deren Familien bislang keine Infektionen bekannt geworden. Allerdings sind die Familien der Schüler oftmals schwer von der wirtschaftlichen Lage betroffen, da insbesondere Tagelöhner in der Phase des Lockdowns ihre Arbeit verloren haben.

Da die Abschlussprüfungen in der Vivekananda-Schule bereits Ende Februar abgeschlossen wurden, hat die Schließung nicht zu einer Unterbrechung des Schuljahres geführt. Vielmehr konnte der Beginn des nächsten Schuljahres nicht wie geplant aufgenommen werden, so dass nun in begrenztem Umfang ein Online-Unterricht stattfindet. Hierbei werden in einzelnen Fächern Materialien bereitgestellt, wie Arbeitsunterlagen und Videos. Es muss hier beachtet werden, dass die wenigsten Haushalte der Schüler über einen Computer verfügen. Lediglich Smartphones sind sehr verbreitet.

Auch wenn im benachbarten Bundesstaat Uttar Pradesh Anfang Mai eine Aussetzung von mehreren Arbeitsgesetzen für eine kontroverse Diskussion sorgte (siehe Hindustan Times), so ist doch die Situation des Großteils der Arbeitnehmer in erster Linie von der gesamtwirtschaftlichen Lage abhängig. Außerhalb des öffentlichen Bereiches sind bis zu 90 % der Arbeitnehmer in Indien in Arbeitsverhältnissen, bei denen die gesetzlichen Bestimmungen kaum Anwendung finden.

So haben auch viele Eltern von Schülern der Vivekananda-Schule ihre Arbeit verloren und derzeit kaum Einnahmen. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, da die Schule sich über die Erhebung von Schulgebühren der Eltern finanziert, die es sich (in normalen Zeiten) leisten können. Hier leistet die Sir-Dietrich-Brandis-Stiftung durch die Finanzierung von Stipendien für Schüler aus bedürftigen Familien einen wichtigen Beitrag, der nun durch einen Betriebskostenzuschuss ergänzt wurde, so dass die Gehälter der Lehrer weiter gezahlt werden können.

Hier befindet sich die Schule in einer doppelt schwierigen Situation. Aufgrund eines staatlichen Erlasses sind private Schulen gehalten, die Schulgebühren nur von Eltern zu erheben, die keine Einnahmenausfälle haben. Viele Eltern haben jedoch die Zahlungen aufgrund der unklaren Lage generell eingestellt. Dies führt nun dazu, dass die Schule einerseits versucht, ihrer Verpflichtung gegenüber Beschäftigten und Schülern nachzukommen, und andererseits ihr Fortbestehen zu sichern – eine äußerst schwierige Aufgabe.

Auch wenn in Deutschland derzeit eine Diskussion um die wirtschaftliche Lage in der näheren Zukunft stattfindet, so wird hier einmal mehr deutlich, welche Errungenschaft ein funktionierendes Sozialversicherungssystem darstellt. In Indien ist dies für einen Großteil der Bevölkerung nicht gegeben. Die wirtschaftliche Lage wird zudem insbesondere die ärmere Bevölkerung in der kommenden Zeit sicher merklich treffen.

Durch eine Spende für die Projekte der Sir-Dietrich-Brandis-Stiftung können Sie helfen, die Zukunft der Schule kurzfristig zu sichern und langfristig die Bildung vieler Schüler aus ärmeren Familien sicherzustellen.

Rahul Sharma

14.06.2020

April 2019 – Eindrücke aus Jogiwala

Betrachtet man heute die Entwicklung der Vivekananda-Schule seit ihrer Gründung im Jahr 1977, so ist es durchaus erstaunlich zu sehen, was mithilfe der Spenden aus Deutschland und dem ehrenamtlichen Einsatz Vieler erreichbar ist. Seit meiner Kindheit habe ich das Wachstum der Schule miterlebt und die einzelnen Schritte der Entwicklung mitverfolgt. Gleichzeitig hat sich Indien mit der Zeit auch durchaus stark verändert. Sowohl die Lebenssituation großer Teile der Stadtbevölkerung, als auch der Bewohner von Agglomerationen ist mit der wirtschaftlichen Öffnung seit den 1990er Jahren wesentlichen Veränderungen unterworfen. So wird heute in indischen Megastädten die Nachbarschaft von Superreichtum und bitterer Armut ständig sichtbar. Die direkte Umgebung der Vivekananda-Schule in Jogiwala zeigt diesen wirtschaftlichen Entwicklungsprozess sehr anschaulich. War die Schule bei meinem Besuch im Jahr 1996 noch hauptsächlich von Feldern umgeben, so ist sie inzwischen in die weiter wachsenden Außenbereiche von Dehra Dun eingegliedert, in der sich zahlreiche Einfamilienhäuser einer wachsenden Mittelschicht befinden.

Doch auch wenn der in Teilen der Gesellschaft zunehmende Wohlstand insbesondere den Bildungssektor drastisch verändert hat, ist die Teilhabe der ärmeren Bevölkerungsschichten nach wie vor kaum gegeben. Die in Dehra Dun und anderswo allgegenwärtigen Werbetafeln für private (kommerzielle) Schulen werben um Investitionen der Eltern in die Ausbildung ihres Nachwuchses, die als sicherstes Mittel für wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg gesehen wird. Diesem Prinzip von Schule als Geschäft stellt sich die Vivekananda-Schule seit jeher entgegen und unterstreicht durch die gebotenen Unterstützungsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler, dass deren Chancen auf Bildung eben nicht durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bedingt sein sollten. Auch zehn Jahre nach Einführung einer allgemeinen Schulpflicht liegt die Anzahl der Analphabeten über 15 Jahre weiterhin auf hohem Niveau, insbesondere bei Frauen.

Bei unseren alljährlichen Besuchen in Jogiwala versuchen meine Schwester, Aruna Sharma, und ich die Weiterverfolgung der Gründungsprinzipien der Vivekananda-Schule zu unterstützen. Auch in diesem Jahr besuchten wir im April gemeinsam mit unserer Mutter, Ursula Sharma, die Schule, um uns dort an den jährlichen Sitzungen der Trägerinstitution Indian School Society, regd. Soc. zu beteiligen. Neben Grundsatzentscheidungen zur Organisation stehen dort wesentliche Fragen zur Finanzierung des Schulbetriebes an. Auch die die Bitte um finanzielle Unterstützung der Sir-Dietrich-Brandis-Stiftung wird dort debattiert, bevor die Projektvorschläge übermittelt werden.

Besonders erfreulich war in diesem Jahr, dass wir durch eine Reisezeitverschiebung den Schulbetrieb miterleben konnten, so dass wir die motivierte Stimmung in der Schülerschaft zu spüren bekamen. So bekamen wir auch ein weiteres Mal gezeigt, dass die über viele Jahre geleistete Unterstützung der Vivekandana-Schule und ihrer Teilschulen in Nawada und Bhur Früchte trägt und einer ganz wichtigen Aufgabe folgt, nämlich der Verbesserung der Bildungschancen der Schüler unabhängig von Religion, Geschlecht und sozialer Herkunft.

Rahul Sharma

Zu Besuch an der Vivekananda-Schule

Ende Oktober reisten Dr. Andreas Sedlatschek und Carmen Große, der Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende der Sir Dietrich Brandis-Stiftung, nach Dehradun, um sich vor Ort ein Bild von der Arbeit an der Vivekananda-Schule zu machen und in persönlichen Gesprächen mit Vertretern der Indian School Society und der Schulleitung zukünftige gemeinsame Projekte zu diskutieren.

Über unsere gemeinsamen Pläne und Projekte berichten wir in der November-Ausgabe unseres Rundbriefes ausführlich; hier an dieser Stelle möchten wir Sie an unseren Eindrücken, die wir vom Schulleben gewinnen konnten, teilhaben lassen.

In einer Umgebung, für die dichte Bebauung und eine mehrspurige, sehr befahrene Straße und damit viel Lärm und Gedränge kennzeichnet sind, wirkt die Vivekananda-Schule mit ihrem gepflegten Campus wie eine kleine Oase. Die Schulgebäude heben sich sauber weiß gestrichen ab; Bäume, Sträucher und Blumen spenden angenehmen Schatten und dezenten Duft.

Seit unserem Besuch im letzten Jahr hat die Schule weitere Baumaßnahmen vorangebracht. Über dem Verwaltungstrakt wurde nun auch das letzte Stück Dach mit einer schützenden Blech-konstruktion versehen. Der dadurch entstandene zusätzliche Raum unter diesem Dach soll künftig als Vortragszimmer genutzt werden; die Wände sind schon gestrichen, der Boden ist verlegt, nun fehlen noch das Mobiliar, eine Leinwand und ein Beamer. Außerdem wurde am Hauptgebäude eine neue Feuertreppe aus Stahl errichtet – eine Vorgabe der Feuerschutzbehörde wurde damit erfüllt. Auf dem Gang vor der großen Versammlungshalle wurden hübsche Bodenfliesen verlegt; an der Wand entlang haben Schülerinnen und Schüler Tänzerinnen und Tänzer gemalt, die sämtliche traditionelle Tänze zeigen, die auch an der Vivekananda-Schule gelehrt, in der Halle geprobt und dort – zum Beispiel bei Wettbewerben – zur Aufführung gebracht werden.

Im Hauptgebäude sind die Unterrichtsräume für die Klassen 7 bis 12, sowie die Fachräume zu finden; in den Seitengebäuden sind nun die Klassenzimmer der Grundschule untergebracht (Klasse 2 bis 6), die Erstklässler haben im ehemaligen Kantinengebäude ihre Räumlichkeiten. Dort gibt es jetzt auch einen Ruheraum mit zwei Liegen, in den Schülerinnen und Schüler sich legen können, wenn sie sich unwohl fühlen. Der große Schulhof wird während der Unterrichtszeiten als Sportplatz genutzt: Schnell können dort Volleyballnetze aufgebaut werden, das Basketballfeld ist ohnehin ein fester Bestandteil des Platzes.

Bei der Besichtigung des Schulhauses fallen uns zwei Dinge besonders ins Auge:
die wunderschön gestalteten Displayboards

und die offenen Klassenzimmer. Anders als in Deutschland sind nämlich während des Unterrichts die Türen nicht geschlossen, sondern geöffnet! Das ermöglicht es uns, hier und da einen Blick zu erhaschen.

Die Fachräume geben einen ganz besonderen Einblick:

Im Tabla-Zimmer erhalten die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen Tabla-Unterricht; die im letzten Jahr angeschafften Tablas ermöglichen es, dass tatsächlich jede/r spielen kann.

Der Kunstraum ist wunderschön dekoriert; zudem liegen zahlreiche Schülerarbeiten und die Siegerbilder des diesjährigen Lady Katharina Brandis-Malwettbewerbs aus.

Im Handarbeitsraum bewundern wir liebevoll hergestellte Produkte der Schülerinnen und Schüler.

Konzentrierte Arbeitsatmosphäre herrscht in der Brandis-Bibliothek; neue Bücher, die vor einiger Zeit mit Hilfe der Brandis-Stiftung angeschafft wurden, warten auf ihre Inventarisierung.

Die Schulleitung der Vivekananda-Schule schließt uns nicht nur alle Schultüren auf und ermöglicht uns damit Begegnungen mit Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, den Brandis-Stipendiatinnen und -Stipendiaten, sondern öffnet uns auch die Tür zum Kindergarten und damit zu zukünftigen Schülerinnen und Schülern der Vivekananda-Schule.

August 2018

Zu Besuch an der Vivekananda Schule

Im August 2018 erhält die Vivekananda Schule Besuch aus Deutschland: Dr. Andreas Sedlatschek, der Vorsitzende der Sir Dietrich Brandis-Stiftung, und Carmen Große, die stellvertretende Vorsitzende, sind nach Dehradun gereist, um sich vor Ort ein Bild von der Schule zu machen und alle am Schulleben Beteiligten persönlich zu treffen.

Von unseren Gesprächen mit Herrn Sharma, dem Generalsekretär der Indian School Society, und dem Schulleiter Herrn Singh sowie anderen Mitgliedern der Schulleitung und -verwaltung möchten wir im nächsten Rundbrief berichten; hier an dieser Stelle möchten wir einen Einblick ins Schulleben geben:

An der Vivekananda Schule beginnt ein Schultag um 7.55 Uhr mit der Assembly – der Versammlung aller Schülerinnen und Schüler auf dem Schulhof. Nach Klassen geordnet, abwechselnd in einer Mädchen- und einer Jungenreihe aufgestellt, wird gemeinsam die Nationalhymne gesungen; der Schulleiter sowie einzelne Schülerinnen und Schüler geben Neuigkeiten bekannt, tragen Gedanken zum Tag vor und referieren kurz über ein aktuelles Thema; abschließend wird gemeinsam ein Gebet gesprochen.

Anschließend verteilen sich die Klassen auf die einzelnen Räume. Mittlerweile sind die Baumaßnahmen am Hauptgebäude abgeschlossen. Die neuen Dachkonstruktionen auf beiden seitlichen Gebäudeteilen, dem Brandis-Block und dem Paresh-Nath-Mukharjee-Block, sind – ebenso wie die auf dem beide Blöcke verbindenden Mittelteil – nun komplett fertiggestellt. Ein Vorhaben ist es, in den nächsten Jahren auch die Nebengebäude, in denen die naturwissenschaftlichen Fachräume untergebracht sind, mit ebensolchen Blech-Dächern, sogenannten Tin-Sheds, zu versehen und so die Gebäude vor Regen zu schützen und die Bausubstanz zu sichern.

Unter dem neuen Dach sind neue Räumlichkeiten entstanden:

ein Computerraum ein Kunstsaal
eine große Versammlungshalle mit Bühne, sowie weitere Klassenräume.

Alle Türen stehen uns offen, wir dürfen während und auch nach dem Unterricht einen Blick in die Fach- und Klassenzimmer werfen …

und in verschiedenen Stunden hospitieren, zum Beispiel
im Englisch-Unterricht des diesjährigen Fulbright-Nehru-Stipendiaten; im Mathe-Unterricht der Klasse 8;
im Mathe-Unterricht der Klasse 10; in der Tabla-Klasse 11;
im Tanz-Unterricht der Klasse 7; im Yoga-Unterricht der Klasse 9.

Wir bewundern die liebevoll gestalteten Display-Boards …

…und statten auch der Bibliothek einen Besuch ab. Die in diesem Jahr mit Hilfe der Brandis-Stiftung gekauften Bücher sind erst kurz zuvor geliefert worden und müssen nun noch eingestellt werden.

Für uns wird die Bibliothek außerdem zu einem Treffpunkt. Wir freuen uns sehr, dass wir dort die Möglichkeit haben, in Ruhe mit den diesjährigen sechs Leistungsstipendiaten aus den Klassen 11 und 12 zu sprechen und die 30 Mädchen kennenzulernen, die von der Brandis-Stiftung gezielt unterstützt werden, da es ihren Familien aufgrund ihrer finanziellen Situation kaum bzw. nicht möglich ist, das Geld für die Schulgebühren aufzubringen. Des Weiteren treffen wir in der Bibliothek fünf ehemalige Schülerinnen, die während ihrer Schulzeit auch diese gezielte finanzielle Hilfe erhielten, was ihnen ermöglichte, an der Vivekananda Schule das Abitur zu machen und nun an einem College ihre Ausbildung weiterzuführen. Im nächsten Rundbrief werden wir ausführlich darüber berichten.